Mit der Kamera gemalt
Philipp Geist begrüßt vor dem Videostandbild „Bodden“ die Gäste seiner Ausstellung „Riverine Bodden Zones“, die im Neuen Kunsthaus in Ahrenshoop gezeigt wird.
Foto: Elke Erdmann
Dem Wasser widmet Videokünstler Philipp Geist eine Ausstellung. Zu sehen ist sie im Neuen Kunsthaus Ahrenshoop.
Ahrenshoop (OZ) - Das Schilf im Bodden vor dem Philipp Geist steht, ist verfremdet. Auf den ersten Blick wirken die dicht stehenden Halme wie lange Aale, die im Räucherofen garen und ihre Farbe wechseln werden — von Graublau zu Gold. Dieses Motiv ist ein Videostandbild der Projektausstellung „Riverine Bodden Zones“, mit Fotografie, Foto und Multimedia, die der Berliner Künstler im Gebäude Neues Kunsthaus zeigt. Ergebnisse seiner Stipendiatenzeit im Sommer 2010 im Haus Lukas.
Ahrenshoop — Ostsee. Das Zwillingskreuzfahrtschiff und der Sendeturm auf dem Schifferberg dominieren ein Foto, das Geist vom Meer aus gefilmt hat. Seine Buhnenbilder sind verzerrt, der Horizont erscheint in schiefer Ebene, als hätte der Betrachter zu tief ins Glas geschaut.
Im Raum nebenan blubbert, gurgelt und gluckst das Wasser in den Flüssen und Bodden, die Philipp Geist mit verschiedenen Unterwasserkameras aufgenommen hat: die Recknitz in Ribnitz, die Isar in München, die Themse in London
Philipp Geist agiert weltweit. Er bezieht aus der Wasserperspektive das Ufergebiet mit ein, dessen englische Bezeichnung „riverine“ Namensgeber für das Projekt ist.
Von Brücken oder vom Ufer, führt er die Kamera an einem langen Kabel. Die Strömung und Fließgeschwindigkeit erzeugen die Bewegungen. An einem neben sich stehenden Monitor sieht der Künstler die Aufnahmen, um das Geschehen verfolgen und beeinflussen zu können. Fische, Unrat wie Fahrräder, Gestein, Pflanzen gelangen in den Focus und vor das Auge des Betrachters, der in der Videoinstallation mit vier Projektoren den bewegten Bildern folgen und sie vergleichen kann.
„Es ist spannend, Städte wie Chikago und Ahrenshoop in Beziehung zu setzen“, sagt der Künstler. Er befilmte mehr als 25 Gewässer; malt mit seinen Kameras. Aus Videostandbildern entwickelte er Prints auf Hahnemühle Papier. Das erklärt die weichen Linien.
Beim lebensnotwenigen Element Wasser ist ihm neben der Ästhetik „wichtig, auf die Problematik der Ökologie aufmerksam zu machen.“ „Er hebt nicht mahnend den Zeigefinger, eher unterschwellig trifft er seine Aussage“, meint Kunsthistorikerin Nancy Launhardt.
Geist arbeitet an seinem Projekt, das endlos ist; gegenwärtig für eine dauerhafte Installation in St. Petersburg. In der beinahe Vollmondnacht am Sonnabend nahm die Ausstellungseröffnung mit einem audio-visuellen Konzert von Fabricio Nocci, der in Rom Komposition studierte, den Abschluss.
Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr zu sehen.
ELKE ERDMANN
OSTSEE-ZEITUNG 20. Sept 2010